Türkei und türkische Bäder, das gehört zusammen wie die Schweiz und die Alpen, wie Frankreich und die Mona Lisa, Deutschland und Bier – zumindest, wenn man gängigen Reiseführern glauben möchte.
Also denn – wenn wir schon mal hier sind, dann suchen wir uns auch ein Hamam. Aus Istanbul waren wir schon weiter gefahren und nun etwas weiter südlich am Marmarameer angekommen, in Bursa – laut obigen gängigen Reiseführern ein Mekka der türkischen Badekultur. Mit der Vorstellung von reich verzierten, prunkvollen, dampfschwaden-geschwängerten und orientalisch-fremdartigen Badehäusern im Kopf erreichten wir die Örtlichkeit. Und ja, fremdartig war unsere Erfahrung dort – der Rest: eher ein Image, das als Touristen-Lockmittel aufrecht erhalten wird. Wir hatten nämlich so ein richtig lokales Hamam gefunden. Nicht nur, dass dort ausschließlich türkisch gesprochen wurde, Anna und ich mussten aufgrund der Geschlechtertrennung zwei völlig unterschiedliche Badehäuser besuchen. Und so trennten sich unsere Wege temporär.
Ein kurzer Blick hinter die Türe des von außen beeindruckenden, schönen Gebäudes im orientalischen Stil verriet schnell: dieser Teil ist nur für Männer. Der Frauen-Teil war ein kleines, unscheinbares Haus gegenüber.
Von der ersten Minute an war klar: ich befinde mich hier in einem sehr kleinen, lokalen Hamam. Kein einziger Tourist und damit auch keine einzige Person, die Englisch sprechen konnte. Eigentlich ja genau das, was man sich auf so einer Reise immer wünscht. Und gleichzeitig bringt es so einiges an Hürden und Kuriositäten mit sich:
Kuriosität 1: Die Badebekleidung
Ich hatte an der Kasse folgendes Equipment erhalten: Ein paar Schlappen, ein kleines Handtuch und eine seltsame Stoffunterhose Größe unisize, wie man sie vor einer OP angezogen bekommt.
Damit stand ich nun in einer Kabine - recht ratlos - und blickte auf meine neu erworbene Ausrüstung. Sollte ich meinen Bikini völlig umsonst mitgenommen haben? Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt also raus aus dem Klamotten und rein in die OP-Hose. Zögerlich trat ich aus der Kabine (in Unterhose und in das sehr kleine Handtuch gewickelt), betrat den Badebereich - und konnte erleichtert feststellen, dass ich mit meinem Outfit genau richtig lag. Denn um mich herum tummelten sich ein paar andere Frauen, alle in der Unterhose und sonst nichts.
Kuriosität 2: Der „Bodyscrub“
Ich hatte für den Besuch das wohl übliche Programm „gebucht“: Body-Scrub und Massage. Wie und wann das genau ablaufen würde, war mir allerdings völlig unklar. Während ich noch darüber rätselte, wurde ich auf türkisch von einer sehr beleibten Frau – im gleich Outfit wie ich – angesprochen. „Vielleicht ist das ja eine Mitarbeiterin die den Body Scrub macht“ dachte sich die Anna und marschierte hinterher zu einem der vielen Marmor-Waschbecken, die im Bad auf Kniehöhe neben Marmorsitzblöcken installiert waren. Dort fing die Frau dann an, sich mit einer Schale Wasser über den Kopf zugießen und dann ihren Körper mit einem Massagehandschuh abzuschrubben. Ah! Macht man das wohl selber? Oder – so wie diese Frau mir gerade mit dem Handschuh zuwinkt – macht sie das am Ende noch mit genau dem selben Handschuh, mit dem sie sich gerade selbst ausgiebig geschrubbt hat? Spoiler Alert: macht sie zum Glück nicht! Nach einigen unklaren und unangenehmen Minuten, in denen ich versuchte, in gesundem Abstand zu dem Handschuh zu bleiben und sie mich fragend anschaute, wurde ich von einer echten Mitarbeiterin aus der Situation befreit. Die andere Frau war wohl einfach nur ein Badegast, der mir das Bad zeigen wollte.
Kuriosität 3: Die echte Behandlung
Ich wurde auf eine Liege in einem kleinen Durchgangsraum gelegt und mit einem Eimer Wasser übergossen. Und dann ging´s los! Von oben bis unten wurde ich abgeschrubbt – da blieb keine Hautschuppe mehr auf der anderen! Und die darauffolgende Massage (mit Unmengen an Schmierseife statt Massageöl) war einfach herrlich! Währenddessen unterhielten wir uns mit Händen und Füssen und ich erfuhr von ihrem Mann und ihren zwei Kindern. Dabei fiel mit der ungezwungene körperliche Umgang auf, der unter den Frauen im Bad herrschte. Diese fremde Frau schrubbte in aller Seelenruhe meinen gesamten Körper ab während ich in meiner „Badekleidung“ dort lag – völlig selbstverständlich und ohne Berührungsängste in einem kleinen Durchgangsraum, der regelmäßig auch als solcher genutzt wurde. Das wäre in Deutschland vermutlich ein wenig anders.
Mit vielen neuen Eindrücken und gemeisterten Hürden verließ ich den Badebereich mit dem Gefühl neu geboren worden zu sein und war schon gespannt darauf, was der Flo von seinem Besuch im türkischen Bad zu berichten hatte.
Ohne große Anleitung ging es los. Zum Glück wusste ich, dass der Besuch eines türkischen Bades einer gewissen Zeremonie unterliegt. Ich konnte mich also einigermaßen zurechtfinden, als mir am Eingangsschalter ein Tuch und ein Kabinenschlüssel im Austausch gegen Handy und Geldbeutel (ab in den Safe) in die Hand gedrückt wurden.
Also rein in eine der Einzelkabinen (die am ehesten vll einem Zugabteil mit Milchglas glichen), raus aus der Kleidung und elegant das Stofftuch um die Hüfte geschwungen. Und schon wurds jedoch orientierungstechnisch
etwas schwieriger, denn in den bisherigen Räumlichkeiten sah das Badehaus eher aus, wie eine mäßig besuchte alte Bahnhofsstation und der Eingang zum Thermalteil machte eher den Eindruck einer Jugendherbergs-Waschküche. Aber trotzdem die richtige Wahl, denn von hier aus ging es weiter in den zentralen Teil des Bades, den Dampfbädern und heißen Pools.
Zweite Hürde: Um von hier aus dorthin zu kommen, gings nur jedoch unter einem Lichtschranken-gesteuerten Dusch-Tor durch. Schwierig, das trockenen Fußes zu schaffen. Wohin allerdings dann mit dem Badetuch?
Unschlüssig wartete ich in dem Saal, bis jemand vor mir die Dusch-Schleuse passierte. Generell war meine Prämisse des Tages: Beobachten und imitieren. Oder sämtliche Hand-und-Fuß-Pantomime-Kommunikations-Skills auspacken, denn fragen ging ja schlecht, hat mich ja keiner verstanden.
Und es stellte sich heraus: Die Badetücher waren im Ansatz nicht dafür gedacht, trocken zu bleiben. Sitzfläche, Schweißfänger, Lendenschurz und Badehose in einem wurde damit gebadet, sauniert, gewaschen und geschwitzt.
Was ich dann auch ausgiebig tat, nachdem ich die Dusch-Schranke hinter einem stämmigen Herren passiert hatte. In dem Bereich des Hamams, in dem ich mich nun befand war alles deutlich spartanischer als gedacht: Kahle, weiße Hallen, ein paar Steinbänke mit Wasserhähnen, kleinere Nebenräume und ein großes Rundes Becken in der Mitte. Dafür umso heißer und schwüler. In der zentralen Halle lag die Temperatur bei gefühlt 30-40 °C – und dann war man noch nicht im Wasser, geschweige denn in einem der Dampfbäder! Hier wurde man also erstmal so richtig weichgekocht. Ich tat es den umsitzenden Herren gleich, die wechselweise in den Dampfhallen schwitzten, ein paar Züge durch den Pool taten, oder auf den Steinbänken saßen, Wasser aus den Hähnen in eine Schale laufen ließen, um sich in regelmäßigen abständen einen Schwall über Kopf und Körper zu gießen – alle in demselben, rot-weißen und klitschnassen Badetuch. Zwei von ihnen schrubbten sich gegenseitig gerade mit ihren Badehandschuhen ab – das berühmt-berüchtigte Waschprozedere, für welches türkische Badeanstalten so bekannt sind.
So warf ich mich also in das Hamam-Erlebnis: In der Hand meine silberne Metallmünze als Handpfand für eine Massage („Body Scrub“), für die ich mich Eingangs eingetragen hatte und immer im Zentrum der Aufmerksamkeit aller Umstehenden, die skeptisch musterten, wie sich der einzelne westlicher Tourist, der ganz offensichtlich nicht von hier war, in dieses Bad verirren konnte. (Zum einen war ich stets darauf bedacht, mir möglichst nicht anmerken zu lassen, wie ahnungslos ich war und zumindest ein bisschen souverän zu wirken in dem, was ich hier mache. Zum anderen fand ich es ja schon spannend, zu entdecken, wie hier so alles funktioniert – wohlgemerkt, ohne dass das komplette Programm darauf ausgelegt war, Touristen ein „Garantiert Typisch Echt Authentisch“-Feeling vermitteln zu wollen. Zu zweit mit jemandem hier gewesen zu sein, der der Sprache und des Prozederes mächtig ist, wäre allerdings nicht nur mangels eines Gesprächspartners definitiv angenehmer gewesen…) Aber hilft ja nix, muss ich halt auf eigene Faust lernen:
Einen wirklichen Standardablauf beobachtete ich nicht, aber nickte ein paar anderen Besuchern freundlich zu und bekam so ein einige nette Handzeichen-Anweisungen als Rückmeldung zurück, sowie alle Brocken Englisch und Deutsch, die zur Verfügung standen. So folgte ich ihnen durch die Dampfschwaden und wechselte zwischen Schwitzen und Abwaschen immer hin und her, begleitet von einem heiteren, locker-entspannten tükisch-englisch-Vokabelaustausch.
Nach geraumer Zeit zwischen Dampfbad und 50 °C-Pool beschloss ich, dass ich nun genug gedünstet und meine Haut genug gequollen sei und machte mich an, dem Metallpfand in meiner Hand einen Wert zu verleihen. In der Vorhalle konnte ich damit auch genügend Aufmerksamkeit auf mich ziehen, sodass ich angewiesen wurde, in einer zweiten Nebenhalle Platz zu nehmen und sich asbald ein Mitarbeiter, Ahmed, meiner annahm.
Ein bisschen hatte ich nun den Eindruck, in dem Teil des Bades gelandet zu sein, der den wenigen Touristen vorbehalten war, die sich doch ab und an einmal hierher verirrten. Denn im Expressdurchlauf wurde mir aufgetragen, für was ich mir vorher zum Glück in dem anderen Teil des Bades, den ich auf eigene Faust erkundet hatte, schon genügend Zeit genommen hatte: 5 Minuten Sauna, fix Abwaschen und 3 Minuten im Wartebereich ausruhen, als Vorbereitung für den eigentlich zentralen Teil des türkischen Hamams – das Ganzkörper-Abschrubben mit vieeel Seife und dem extra rauhen Badehandschuh. Woran sich Ahmed auch gleich fleißig machte und vom Kopf bis zu den Zehen jede lose sitzende Hautschuppe durch energisches Schrubben gründlich beseitigte - ohne jegliche Berührungsängste dem -genau wie ihm- halbnackten Mann gegenüber. Im Sitzen wurde ich eingeseift, abgeschrubbt und immer wieder abgespült, mit dem obligatorischen Schaumbad am Ende obendrein.
Viel Konversation war mit Ahmed nicht drin, aber sich mir vorzustellen lag ihm sehr am Herzen, immer direkt mit dem Hinweis versehen, ihm mit diesem Namen am Ende auch ordentlich „Give Good Tip“ – gutes Trinkgeld zu geben. Worauf ich auch direkt von den beiden anderen Angestellten noch einmal hingewiesen wurde. Obwohl die Preisliste auf türkisch Eingangs explizit für alle Besucher des Hamams gleichermaßen gilt, war es an dieser Stelle unvermeidbarerweise leider ein etwas schaler Beigeschmack dieses Badeerlebnisses, als der einzige Ausländer ganz klar als kleiner Goldesel gesehen zu werden.
Nichtsdestotrotz eine ganz interessante Erfahrung, so mitten im türkischen Badealltag fernab der Touristik-Ballungszentren - und nach 10 bis 15 Minuten Ganzkörperwäsche und beinahe jeglichem Verzicht auf personal space gings noch mal unter die Dusche und dann zurück in meine Zugabteil-Umkleidekabine, wo ich mir noch entspannt einen Krug Ayran gönnte. Bevor ich dann wieder in meine Straßenklamotten schlüpfte, bezahlte (natürlich incl. „Good Tip“ ;) und nach ca 1-1,5h das Bad wieder verließ.
In Summe ein spannendes Erlebnis – inklusive des grandiosen Wie-Neugeboren-Gefühls, das auch zu jedem Sauna-Besuch in der Heimat gehört. Ob ich den Abschrubben-Part auch unbedingt dazubrauche, sei an der Stelle mal offengehalten – so ganz viel Positives abgewinnen konnte ich ihm nicht, aber wirklich unangenehm war es auch nicht. Lediglich für etwas weniger „Bunter-Hund“-Feeling im Austausch für etwas mehr traumhaft-orientalische Wohlfühlatmosphäre anstelle von dicken, kahlen Wänden würde ich beim nächsten Mal denke ich auch mal eine der klassischen Touri-Fallen ausprobieren.
Frisch gebadet machten wir uns nach diesem Erlebnis auf dem Weg zum Flughafen in Bursa, auf dem Krissi in wenigen Minuten ankommen würde...
Aber das ist eine andere Geschichte!
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