Insgesamt waren wir gleich dreimal in Istanbul. Erst für eine knappe Woche zu Besuch beim Matze. Dann – nach einem Ausflug ans schwarze Meer – kamen Ötsch und Jeanne zu Besuch. Wir erkundeten die Stadt zum zweiten Mal und nach einer gemeinsamen Tour mit unseren Besuchern zum Marmarameer kamen wir zum Abschied ein drittes Mal in die türkische Hauptstadt. Von dieser Zeit gibt es unzählige Eindrücke und Erlebnisse, von denen wir in den verschiedenen Blogeinträgen erzählen.
Dieser Blogeintrag handelt als dritter Teil von unserem Eindruck und Erleben der Stadt Istanbul
Kapitel 1: Ein Überblick
Istanbul (oder „StAnbul“ wie sie in der Landessprache ausgesprochen wird) ist in vielerlei Hinsicht eine absolute Ausnahmestadt. Die fast 16 Millionen Einwohner große Metropole erstreckt sich als die einzige Stadt der Welt über zwei Kontinente. Links die europäische Seite und getrennt durch den beeindruckenden Bosporus, die Meerenge zwischen dem schwarzen Meer und dem Marmarameer, befindet sich auf der anderen Seite der asiatische Teil der Stadt. Aufgrund der geografisch besonderen Lage und der dadurch geprägten Geschichte der Stadt mischen sich in Istanbul die verschiedensten Einflüsse ehemaliger Kulturen und Reiche.
Es gibt die vielfältigsten Viertel, von denen man nicht denken würde, dass sie ein- und der selben Stadt angehören:
In „Sultanahmet“, der Altstadt auf der europäischen Seite, tummeln sich die berühmtesten Gebäude der Stadt: die Hagia Sophia (ehemals eine byzantinische Kirche, dann ein Museum und heute eine Moschee mit christlichen Bildern an den Wänden), die „blaue Moschee“ mit ihren beeindruckenden Mosaiken, das Hippodrom in dem im byzantinischen Reich regelmäßig Wagenrennen abgehalten wurden, oder der ägyptische Obelisk des Theodosius mitten in der Stadt. Neben diesen Sehenswürdigkeiten schlängeln sich Bazare durch die Ränder des Stadtteils und neben dem „Grand Bazar“ und dem „Spice Bazar“, die sich eher als Touristenfallen entpuppten, kann man an den restlichen hunderten von Ständen alles zu einem gutem Preis erhandeln: vom Teppich über eine Kaffeemaschine bis hin zur Standuhr.
Auf der asiatischen Seite dagegen liegt das Viertel Kadıköy (in dem Matze früher gewohnt hat) mit seinem wunderschönen Flair, unzähligen Kneipen und einer riesigen Uferpromenade.
Im Kontrast dazu wiederum: Matzes aktuelles Viertel Şişli auf der europäischen Seite fernab vom Tourismus, das einem engen Labyrinth gleicht. Mit vielen kleinen Geschäften eng an eng, Schrott- und Müllsammlern und kleinen Bars.
Und dann gibt es da noch Taxim, das modernere Einkaufsviertel auf der europäischen Seite - mit großen Geschäftsketten, Restaurants und einem prominenten Schaulaufen der Schönheits-Operierten. Istanbul ist nämlich auch weltberühmt für die dort unvergleichlich günstigen Schönheits-OPs, was zu einem interessanten Touristen-Klientel führt (siehe Blogeintrag "Ötsch und Jeanne kommen zu Besuch").
Und das sind bei weitem nicht alle Viertel der Stadt...
Ein weiterer Rekord der Stadt ist die Anzahl an Moscheen. Bevor ihr weiter lest, schätzt mal wie viele Moscheen eine so große Stadt haben kann…
Fertig?
Die richtige Antwort lautet 3113! (Stand Mai 2022) Wenn man ein Foto der Stadt betrachtet – egal welches Viertel – dann wirkt es bei näherer Betrachtung wie ein Wimmelbild, auf dem unzählige Moscheen versteckt wurden (siehe unten).
Kapitel 2: So haben wir Istanbul erlebt
Mein erster Eindruck der Stadt war: Groß, exotisch, faszinierend und wunderbar fremdartig! Direkt bei unserer Ankunft auf dem Weg vom Rusty zu Matzes Wohnung liefen wir an einer Baustelle entlang – ohne Absperrung quasi direkt auf der vierspurigen Straße, denn in Istanbul wird den Leuten noch zugetraut, auf sich selbst und sein Gegenüber aufzupassen. Die Straße führte zu einer Brücke, die über das Goldene Horn, einen Seitenarm des Bosporus führt. Diese Brücke ist (zumindest an den Wochenenden) voll mit Fischern! Schulter an Schulter stehen sie da mitten in der urbanen Umgebung und hängen ihre Angeln in das viele Meter unter ihnen liegende Wasser. Überall stehen Eimer mit der Beute: kleine, vllt. 5-8 cm lange Fischchen, die es in einigen Restaurants im Ganzen frittiert zu kaufen gibt. Manche stehen, manche sitzen auf kleinen Hockern und unterhalten sich Zigarette rauchend miteinander.
In einem kleinen Geschäft in Matzes abgelegenem Viertel kauften wir Gewürze, deren Name und Verwendung uns mithilfe von GoogleTranslate und Händen und Füßen erklärt wurde. Beim Bäcker um die Ecke gab es ein sehr günstiges Frühstück in Form türkischer deftiger Backware (circa 2-3 € für uns beide zusammen) und an unzähligen Straßenständen in der ganzen Stadt wurde unglaublich leckeres Essen verkauft (siehe Blogeintrag LINK).
Wir erleben die Menschen in der Stadt als wahnsinnig offen, freundlich und hilfsbereit. Natürlich gibt es – wie in jeder touristischen Stadt - auch die klassischen Abzocken. Was bei uns aber hängen geblieben ist, waren begeisterte Zuhörer bei der Straßenmusik, hilfsbereite, freundliche Menschen in den Geschäften und auf der Straße - und eine Einladung einer uns völlig fremden Familie zum Iftar, dem Fastenbrechen.
Kapitel 3: Inflation und Ramadan
Wir haben die Stadt und das Land aus zweierlei Hinsicht zu einem sehr besonderen Zeitpunkt besucht:
Zum einen war unsere Ankunft – aus unserer Sicht - leider circa 1-2 Monate zu spät. Denn aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Lage steuert das Land auf eine Hyperinflation zu. Noch 2 Monate bevor wir in der Stadt ankamen herrschte das alte Preisniveau, was für unsere Reisekasse eine sehr willkommene Abwechslung nach der Zeit in Griechenland gewesen wäre… Tja, aber Timing war auf dieser Reise sowieso nicht unsere Stärke und so kamen wir gerade zu Beginn der außergewöhnlichen starken Inflation an. Die Lebensmittelpreise hatten sich in wenigen Monaten fast verdoppelt und während unseres einmonatigen Aufenthaltes im Land bekamen wir live mit, wie die Preise täglich weiter stiegen. Nirgendwo standen mehr feste Beträge, alles war mit Edding oder Aufklebern überdeckt, die sich regelmäßig änderten – von den Speisekarten über Parkplatzschilder bis hin zu den Supermarktregalen.
In diesem Zuge sollte man vllt auch ein Paar Worte zur derzeitigen politischen Lage verlieren. Viele Türken und Türkinnen, mit denen wir uns unterhalten haben, waren der derzeitigen Regierung über sehr kritisch eingestellt und schreiben unter anderem dieser und deren Vetternwirtschaft auch die aktuelle wirtschaftliche Krise zu.
Fragwürdig ist hier beispielsweise der Bau einer monströsen Moschee, die auf einem riesigen Hügel - von überall in der Stadt sichtbar – zu Ehren des türkischen Staatsoberhauptes errichtet wurde. Nur ist sie zum einen so weit außerhalb und auf einem großen Anhöhe, dass niemand sie wirklich als Moschee nutzen kann und zum anderen mit einer auffallenden Anzahl an Minaretten ausgestattet. Denn eigentlich haben Moscheen maximal 4 Minarette und das auch nur dann, wenn sie von einem Sultan erbaut wurden. Alle anderen haben weniger. Die besagt Moschee musste das aber noch überbieten und hat deshalb gleich 6 Stück. Daher bekam das türkische Staatsoberhaupt von unserer Führerin bei der Stadtführung auch den liebevoll sarkastischen Namen „unser großer Sultan“.
Diese kritische Meinung teilen aber keinesfalls alle im Land und gerade in den ländlicheren Gebieten im Osten der Türkei finden sich viele regierungstreue Anhänger, bei denen es keine Frage ist, wo sie bei der nächsten Wahl ihr Kreuz setzen werden.
Neben dieser außergewöhnlichen Zeit einer wirtschaftlichen Krise fand unser Besuch aber auch aufgrund eines weiteren Aspektes zu einem sehr besonderen Zeitpunkt statt: Wir waren fast exakt einen Monat in der Türkei - und zwar genau zu Ramadan. Ramadan (oder Ramazan, wie es wohl eigentlich ausgesprochen wird) ist ein Fastenmonat im muslimischen Glauben. Fasten bedeutet dabei: Während des Tages wird nicht gegessen (und getrunken - und zwar wirklich gar nix). Und in der Praxis heißt das: Vor Sonnenaufgang und nach Sonnenaufgang wird richtig reingehauen.
Ein großer Teil der Stadtbewohner*innen fastet gar nicht und die Restaurants sind zu jeder Tageszeit gefüllt mit Menschen jeglichen Glaubens. Der Teil, der allerdings fastet, trifft sich regelmäßig Abends zum Iftar, dem Fastenbrechen. Man sitzt zusammen in einem Restaurant, bei einem gemeinsamen Picknick oder beim Grillen und wartet auf den Sonnenuntergang. Diese schöne Tradition sorgt dafür, dass sich in den Abendstunden überall kleine und große Gruppen versammeln. Die Parks sind voller Picknick-Decken, die Restaurants ausgebucht und in manchen Orten gibt es eine Art große Kantine im Freien, wo alle Fastenden essen bekommen. So viel zu der Tradition am Abend.
Die zugehörige morgendliche Tradition ist hingegen durchaus, nunja, integrativer… Denn davon sind alle betroffen, ob fastend oder nicht. Noch vor Sonnenaufgang - so gegen 4 Uhr morgens - laufen junge Menschen mit riesigen Trommeln durch die Straßen und wecken zum morgendlichen Vor-Sonnenaufgang-Essen. Dabei werden aber natürlich leider alle geweckt und so habe ich in so manchen frühen Morgenstunden den Ramazan verflucht. Jetzt könnte man direkt das Schimpfen anfangen, wie es denn sein kann, dass diese komische Religion so übergriffig ist! Und dann erinnert man sich leise daran, dass in Deutschland in jedem noch so kleinen Ort die Kirchenglocken die ganze Nacht durchgehend läuten – viermal die Stunde – und dass gerade an Ostern in katholischen Gemeinden die sog. "Klapperer" genau das gleiche machen. Manche Parallelen sind schon spannend.
Vom Ramadan-Fasten nicht betroffen hatten wir alle Möglichkeiten, die Stadt kulinarisch zu entdecken. Zum Glück! Denn in keinem anderen Land landeten so viele verschiedene, uns völlig fremde Gerichte auf unseren Tellern, wie in der Türkei...
Aber das ist Teil 4 der Geschichte!
Bleib auf dem Laufenden mit unserem Newsletter und erfahre regelmäßig alle Neuigkeiten von unseren Unternehmungen!