Kapitel 2: Ein Sightseeing der anderen Art
Wie es sich für so eine Stadterkundung gehört, stand auf unserer gemeinsamen Liste natürlich auch ein bisschen Standard-Touri-Programm inklusive einer
Free-Walking-Tour, in der wir die berühmtesten Gebäude der Stadt bestaunen konnten und auch einen durchaus kritischen Einblick in die Geschichte StAnbuls und der Türkei bekamen, was vor allem der netten Stadtführerin geschuldet war, die die aktuelle heikle politische Situation wunderbar süffisant erläuterte und den Präsidenten gerne mal etwas sarkastisch und sehr gekonnt diskret mit einem selbstgefälligen Sultan verglich ;) Danach waren wir bestens über die Bedeutung der Anzahl von Minaretten in einer Moschee informiert und ab welcher Anzahl man durchaus von Größenwahn (oder dem Versuch, Minderwertigkeitskomplexe zu kompensieren) sprechen könnte, besonders wenn sie von einem Politiker in Auftrag gegeben wurde... Nach der Stadtführung schlenderten wir durch den
Spice Bazaar und den
Grand Bazaar. Doch so schön und exotisch diese Namen auch klingen, so enttäuschend waren sie – zumindest was die verkauften Waren anging. Denn es handelt sich bei beidem um riesige Touristenfallen, bei denen die Qualität und Herkunft der Ware durchaus sehr in Frage zu stellen ist. Die ganzen Stände und Gewürze waren aber dennoch sehr schön anzuschauen und wenn man ein Stückchen außerhalb sucht, findet man auch einen weniger touristischen Teil der Bazaare mit deutlich mehr Auswahl, wo Ötsch und Jeanne sich einen wunderschönen Stoff als Deckendekoration für ihren Bus erhandelten.
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Wieder zurück im moderneren Teil der Innenstadt, kamen wir dann ins Vergnügen einer ganz anderen Art des Sightseeings, die es wirklich nur in Istanbul gibt:
Eine Parade frisch operierter Nasen, gebotoxter Lippen und eingepflanzter Haarimplantate!
Da die Stadt weltberühmt für ihre unvergleichlich günstigen Schönheits-OPs ist, wurde daraus ein regelrechter Tourismus, in dem ganze Flieger voller OP-Anwärter in die Stadt geflogen, in einem Hotel untergebracht und nach einem
All-inklusive-Urlaub der anderen Art wieder zurück gekarrt werden. Daher tummeln sich in der Einkaufsstraße junge Frauen mit eingegipster Nase oder aufgequollenen Lippen und Männer fast jeden Alters mit einer Art Windel um den Hinterkopf (die Stelle von der die Kopfhaut weg genommen und nach oben gesetzt wird) und verkrusteten Haaransätzen. Ein in jedem Fall ein wenig schöner und leicht ekliger, aber dafür doch umso amüsanterer Anblick. Würde man daraus ein Trinkspiel machen (ein Schluck pro Patient und ein Schnaps pro misslungenem SchönheitsOP-„Unfall“) und die gesamte Einkaufsstraße einmal entlanglaufen, man würde nicht mehr zurück kommen!
Kapitel 3: Die Meyhane und der Schönheitschirurg
Natürlich durfte bei dem Aufenthalt der Beiden in StAnbul ein Besuch in einer Meyhane nicht fehlen! Nach kurzer Erklärung des Rituals (Siehe Blogeintrag
"Zu Besuch bei Superhost Matze") saßen wir gut versorgt mit Meze und Raki in dem mit Menschen gefüllte Raum. Und wie das in so einer Meyhane immer ist, mischt sich nach einer gewissen Zeit und Menge Raki auch das vorher noch fein säuberlich getrennte Publikum: Und so gerieten Ötsch und Flo in eine langes Gespräch mit einem – wer hätte es gedacht – stAnbuler Schönheitschirurgen! Nach der Paradenschau am Vormittag hatten sie natürlich jede Menge Fragen und bekamen einen interessanten Einblick in die Welt der „Schönen“. Dass diese Welt nicht unbedingt zu seinen Gesprächspartnern passte, schien der Schnippler nicht wirklich zu merken, denn auf die offensichtlich missverstandene Frage, ob er schon mal jemanden mit Bedenken von so einer OP umgestimmt hätte, erzählte er ganz begeistert, dass seine Exfrau sich damals eigentlich gar nicht operieren lassen wollte, aber - nachdem er sie umgestimmt hatte – schlichtweg ihren ganzen Körper hat machen lassen! „Arsch, Brüste, Lippen, Bauch, einfach alles!“
Schade, so war die Frage eigentlich nicht gemeint...
Kapitel 4: Das Marmarameer und eine Wanderung zum Uludağ
Wenn man mit dem Ötsch unterwegs ist, dann sollte man mindestens eine Wanderung pro Woche einplanen, und so ging es ein paar Tage nach dem Großstadtdschungel in die Natur. Genauer gesagt, ging es erst mal in eine (gar nicht so kleine) Stadt an die Südküste des Marmarameers. Unser AirBnB war direkt an der Strandpromenade, die wir in vielerlei Hinsicht genossen. Gleich am ersten Abend saßen wir – mit einem guten
Çai - am Ufer und betrachteten den Sonnenuntergang, als wir plötzlich an der Wasseroberfläche weit hinten etwas entdeckten. Das Etwas kam Näher und mit riesiger Begeisterung stellte ich fest, was es waren:
Delphine!!! Wer mich ein bisschen kennt, der weiß wie die nächsten 30 Minuten verlaufen sind…
Am nächsten Morgen nutzten Ötsch und Flo die Promenade als Fitnessstudio und waren für gut zwei Stunden zusammen unterwegs, bevor sie kaputt und glücklich wieder zurück in die Wohnung kamen. Ob dieses zweistündige Fitnessprogramm so gut getimt war, sei dahingestellt, denn am nächsten Tag stand unsere vom Ötsch geplante Wanderung zum Uludağ an. Der Uludağ ist ein zweieinhalb Tausend Meter hoher Berg in der Nähe von Bursa und gleichzeitig Namensgeber einer türkischen Limonade, die in fast jedem deutschen Dönerladen zu finden ist.
Anmerkung der Autorin:
Hier schlug ich als kleiner Korinthenkacker zu und bestand auf die korrekte Aussprache des Bergnamens. Da im türkischen das “ğ“ nicht ausgesprochen wird, sondern nur den Vokal davor verlängert, wanderten wir also nicht auf den „Uludag“, sondern den „Uludaah“!
Wenn man im April in Eurasien auf einen über 2000 Meter hohen Berg wandert, dann kann man vorher nicht genau wissen, welche Bedingungen einen da oben erwarten. Liegt noch Schnee? Wenn ja wie viel? Bis zu welche Höhe? Wie sind die Wegbedingungen dorthin? Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt und so fuhren wir – auf alles gewappnet - zum Einstieg der Wanderung…
... und kamen in einem
Winterwonderland an: Schnee war definitiv noch vorhanden - und zwar nicht zu knapp! Mit dem Entschluss, einfach mal zu schauen, wir weit wir kommen würden (irgendwie kam uns das bekannt vor, siehe
"Unser ungewöhnlichster Übernachtungsplatz"), stiefelten wir los und erklommen den Berg bis auf die Höhe eines wunderschönen Bergkamms, der uns zu unserem Umkehrpunkt kurz vor dem „kleinen Gipfel“ des Berges brachte. Da man bei einer Schneewanderung deutlich länger braucht als auf festem Grund, mussten wir die Wanderung entsprechend anpassen. Der Rückweg ging dafür deutlich schneller als gedacht, denn wir schlitterten wie Kinder mit Vollgas die Pisten des stillgelegten Skigebietes herunter.
Ein wunderbarer Tag! Nur eins hatten wir alle vergessen: Die Sonnencreme! Da wir nicht mit einer durchgehenden Schneedecke in Kombination mit strahlendem Sonnenschein gerechnet hatten, kehrten wir mit knallroten Gesichtern zurück. Bzw. nicht alle, denn Jeanne scheint mit ihrer sonnen-resistenten Haut auf dem falschen Kontinent geboren worden zu sein. Während wir drei also peinlicherweise in den nächsten Tagen den klassischen Mallorca-Touristen mimten, war in ihrem gebräunten Gesicht nur der klassische „Eulenabdruck“ der Sonnenbrille zu erkennen.
Kapitel 5: Querelen und gute Freunde
Die Dynamik mit Ötsch und Jeanne war – wie immer – sehr angenehm und unkompliziert. Da wir mit den beiden schon vor unserer Reise einige Abende sowie einen kleinen Urlaub verbracht hatten, kannten wir uns gegenseitig gut und wussten, wie jeder tickt. Was diesmal nur anders war: Unsere völlig unterschiedlichen (Lebens)Situationen:
Ötsch und Jeanne waren für eine Woche im Urlaub - Flo und ich seit fast einem Jahr unterwegs, mit dem näher rückenden Ende unserer Reise im Blick. Während die beiden also mit einer tiefenentspannten Stimmung durch die Woche gingen, merkte man uns beiden in manchen Situationen eine Angespanntheit an, die daher rührte, dass uns die großen Themen und Entscheidungen, die uns ins Haus standen, jeweils ziemlich beschäftigten. In Kombination mit einem fast einjährigen ständigen „Aufeinandersitzen“ und damit verbundenen vielen kleinen Bus-Querelen, die hin- und wieder an die Oberfläche kamen, haben Ötsch und Jeanne in unserem gemeinsamen Urlaub auch Diskussionen und Streits miterlebt.
Im Nachhinein waren diese Reibereien sehr wichtig für uns und auch sehr klärend. Aber mehr noch als das, haben sie auch die Freundschaft zu Ötsch und Jeanne vertieft, denn sie führten zu gemeinsamen, konstruktiven Diskussionen, in denen wir negative Emotionen und Gedanken teilen konnten. Außerdem erfuhren wir durch die beiden nicht nur ein offenes Ohr, Verständnis und hilfreiche Ratschläge, sondern auch eine positive Rückmeldung, die uns sehr viel bedeutet hat: Sie finden es bewundernswert, dass wir unser Unterfangen (über ein Jahr lang zu zweit in einem kleinen Bus, in dem man nicht mal stehen kann, zu leben) nicht nur geschafft haben, sondern uns tatsächlich auch noch leiden können :D
Fazit: Auch wenn es in manchen – zum Glück seltenen - Momenten anstrengend war, ist es ein sehr schönes Gefühl, auch diese Momente miteinander teilen zu können, was unserer Freundschaft eine beeindruckende Tiefe gibt. Ötsch und Jeanne, wir sind euch sehr dankbar für euer Ohr, euren Input und eure Bereitschaft, auch solche Situationen mit uns auszuloten!
Kapitel 6: Ein phänomenaler Abschied
Nach dem viertägigen Ausflug an die Marmarameer-Küste ging es wieder zurück, um den letzten Tag gemeinsam mit Matze in StAnbul zu verbringen (unser dritter Besuch der Stadt innerhalb nur weniger Wochen). Wir schlenderten durch Matzes altes Viertel auf der asiatischen Seite, tranken gemütlich ein Bierchen an der Uferpromenade der asiatischen Seite und machten am Abend die Bars unsicher.
An diesem Abend endete auch unsere Verkostung des türkischen Bieres EFES – ein Ritual, das sich durch den gesamten Aufenthalt von Ötsch und Jeanne zog, denn: schon vor der ersten Bestellung des ersten Bieres am ersten Abend schimpfte der Ötsch über das ekelhafte EFES. Ich war so gar nicht seiner Meinung und überhaupt, gäbe es ja von dem Bier einige verschiedene Sorte, die könne man doch nicht so einfach über einen Haufen werfen! Und so begann unser „EFES-Tasting“ aller Sorten, die wir in die Finger kriegen konnten. Auf einer Skala von 1-10 wurden die Biere bewertet und nach anfänglicher Weigerung stieg der Ötsch dann doch noch mit ein in die Jury. Das ganze wurde professionell von der Jeanne in ihrem Reisetagebuch dokumentiert und kam zu folgendem Ergebnis:
Der Ötsch ist ein ahnungsloser Bierschnösel mit der einzig richtigen Bewertung und wir anderen sind eine trinkerfahrene Sommelier-Gruppe!
Abgesehen von diesem Ergebnis war es am Ende schwierig einen klaren Sieger zu bestimmen, aber wer dazu genaueres wissen möchte, der kann
hier
mal rein schauen.
Viele Kneipen, einen Döner und einige Wegbiere später klang der Abend viel zu spät in einer Aftershow-Party in Matzes Wohnung aus, womit auch unsere - am Anfang als kurzer Abstecher geplante – zweiwöchige wunderschöne Zeit in und um StAnbul endete und es hieß: Abschied nehmen. Sowohl von Ötsch und Jeanne, als auch ein drittes und vorerst letztes Mal von Matze. Denn in Bursa wartete schon ein Wiedersehen mit der Krissi auf uns...
Aber das ist eine andere Geschichte!
Wie haben wir die Millionenstadt Istanbul nun rückblickend erlebt? Davon erzählt Teil 3: Istanbul, die Stadt.